Information zu Gewalt

Der Begriff Gewalt (eine Bildung des althochdeutschen Verbes verwalten, bzw. waltan – stark sein, beherrschen) bezeichnet von seiner etymologischen Wurzel her das „Verfügen-können über das innerweltliche Sein“. Der Begriff bezeichnet also ursprünglich und gelegentlich noch heute rein das Vermögen zur Durchführung einer Handlung und beinhaltet kein Urteil über deren Rechtmäßigkeit.

 

Gewalt wird aber zumeist gebraucht, wenn mit Zwang – vor allem physischem – etwas durchgesetzt werden soll. 

PHÄNOMENE DER GEWALT

 

Definition

 

Gewalt im Sinne von Walten findet sich wieder in Begriffen wie Staatsgewalt oder Verwaltung. Inhaltliche Anwendung findet der Begriff bei den wissenschaftlichen Disziplinen Staatstheorie, Soziologie und Rechtsphilosophie.

 

Die ursprüngliche, neutrale bis positive Begriffsbestimmung ist in Begriffen wie „gewaltige Anstrengung“ (bzw. „Gewaltanstrengung“) oder „gewaltige Dimension“ erkennbar, wenn eine über das übliche Maß hinausgehende Leistung anerkennend beschrieben werden soll. Aber auch im Gewaltmonopol des Staates bzw. der Gewaltenteilung wird die Gewalt neutral interpretiert.

 

Die im heutigen Sprachgebrauch verbreitete negative Belegung ist in Begriffen wie Gewalttat, Gewaltverbrechen, Gewaltverherrlichung, Vergewaltigung wie auch im Distanz schaffenden Begriff Gewaltlosigkeit enthalten.

 

Eine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs gibt es nicht, da seine Verwendung in Abhängigkeit von dem jeweiligen Erkenntnisinteresse stark variiert. Dieses Fehlen einer klaren Definition verursacht insbesondere Probleme bei der statistischen Erfassung von Gewaltdelikten.

 

Gewalt im negativen Sinne wird häufig als schädigende Einwirkung auf Andere verstanden. Als Gewaltformen werden physische oder psychische, personale oder strukturelle (oder auch kulturelle), statische oder dynamische sowie direkte oder indirekte unterschieden. Ein engerer Gewaltbegriff, auch als „materialistische Gewalt“ bezeichnet, beschränkt sich auf die zielgerichtete, direkte physische Schädigung einer Person, der weiter gefasste Gewaltbegriff bezeichnet zusätzlich die psychische Gewalt (etwa in Form von Deprivation, emotionaler Vernachlässigung, „Weißer Folter“, verbaler Gewalt) und in seinem weitesten Sinne die „strukturelle Gewalt“. Zudem fällt Vandalismus unter diesen Gewaltbegriff, wenngleich sich die Einwirkung nicht direkt gegen Personen richtet.

 

Die französische Psychoanalytikerin Marie-France Hirigoyen beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema „Seelische Gewalt“ in den verschiedenen Ausprägungen.



Begriffswandel

 

Der Begriff „Gewalt“ steht immer im historisch und sozialen Kontext. So kann heute eine „gewaltfreie“ Sitzblockade juristisch als Anwendung von psychischer Gewalt interpretiert werden . Ebenso werden heute Maßnahmen bezeichnet, die bei ihrer Einführung als „humane Errungenschaft“ galten. Die Erneuerung der gesellschaftlichen Sicht führt beispielsweise auch zur Inakzeptanz teilweise Jahrhunderte alter blutiger Traditionen wie der Beschneidung, auf Grund der weitreichenderen Folgen besonders bei der weiblichen Form.

 

Gewalt in der Gesellschaft

 

Gewalt in der Gesellschaft ist ein Phänomen, das nach wie vor eine erschreckende Herausforderung für die Wissenschaft, Polizei und Vollzugsbehörden ist.



Analyse der Gewalt

 

Politik

 

Im Sinne der Rechtsphilosophie ist Gewalt gleichbedeutend mit Macht (englisch power, lateinisch potentia) oder Herrschaft (lateinisch potestas). Während Staatsgewalt einst als Ausdruck legitimer Machtausübung als gleichsam sakrosankt anerkannt wurde, entstanden mit zunehmender gesellschaftlicher Ausdifferenzierung Forderungen nach Verrechtlichung, prozeduraler Einhegung und demokratischer Legitimierung von Gewalt (Gewaltenteilung, „Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus“).

Man unterscheidet im demokratischen Rechtsstaat die gesetzgebende Gewalt (Legislative), die vollziehende bzw. ausführende Gewalt (Exekutive) und die Rechtsprechung (Judikative). Das Gewaltmonopol des Staates regelt und begrenzt die Ausübung physischen Zwanges gegenüber Staatsbürgern.

Die Staatsphilosophie beschäftigt sich somit mit Ausübung von Gewalt im innerstaatlichen Verhältnis und im Verhältnis zwischen Staaten (im Inneren, s. z. B. Widerstandsrecht, im Äußeren „Theorie des gerechten Krieges“). Ein wesentliches Ziel ist es, Gewalt einzuhegen und an Legitimationsprozesse zu binden (z. B. Polizei- und Kriegsrecht).

 

Recht

 

Zivilrecht und Strafrecht basieren auf dem allgemeinen Gewaltverbot. Ausgenommen sind nur Situationen der Notwehr und des Notstands sowie Fälle des unmittelbaren Zwanges von Vollzugskräften des Staates (Gewaltmonopol des Staates).

 

Die Anwendung von Gewalt (lat. vis oder violentia), im Sinne von roher, verbrecherischen Gewaltsamkeit, wirkt hier strafverschärfend, z. B. bei Eigentums- und Sexualdelikten. Der „materielle“ Gewaltbegriff im Strafrecht setzt eine physische Zwangswirkung beim Opfer voraus.

Gewalt wird daher meist als personales, weniger als psychisches oder gar soziales Handeln verstanden. Der Einsatz von Gewalt ist für den Akteur, also den Täter, subjektiv mit Vorteilen verbunden. Der Sinn des Gewalteinsatzes kann instrumentell sein – der Akteur versucht, zum Teil auch mangels anderer Mittel, ein bestimmtes Ziel zu erreichen – oder expressiv – der Gewalteinsatz dient dann etwa der Selbstdarstellung oder Selbstvergewisserung.

 

Die juristische Definition von Gewalt ist nach der heutigen Rechtsprechung zu definieren als körperlich wirkender Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch sonstige physische Einwirkung, die nach ihrer Intensität dazu geeignet ist, die freie Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen zu beeinträchtigen. (BGH NJW 1995, 2643)

 

Die Anwendung von Gewalt bei der Erziehung ist in Deutschland verboten. Erst 2000 wurde durch eine Gesetzesänderung das elterliche Züchtigungsrecht abgeschafft.

 


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